Mehr Bio für die Agrarwende

Mehr Bio für die Agrarwende

Der Verzicht auf synthetische Pestizide, Kunstdünger und Antibiotika sind nur einige Grundregeln, welche den biologischen Landbau ausmachen. Die Bio-Landwirtschaft ist seit Jahrzehnten ein bewährtes Konzept und schafft nachhaltig Bodenfruchtbarkeit für kommende Generationen. Sie schont Klima und Umwelt, trägt der Biodiversität Rechnung und liefert uns gesunde, schmackhafte Lebensmittel.

Bio-Bauern erzielen ein faires Einkommen und investieren mit innovativen Anbaumethoden in die eigene Zukunft und in die Erhaltung unserer einmaligen, natürlichen Ressourcen. Nicht nur in der Schweiz und in Europa, sondern auf der ganzen Welt, nimmt die biologisch bewirtschaftete Fläche seit Jahrzenten zu und leistet schon jetzt einen namhaften Beitrag zur Welternährung.

Wir sind überzeugt, dass nur eine biologische Produktion, mit gesunden Böden unsere Versorgung langfristig sichert. Die Verhinderung von Foodwaste und die Reduktion des Fleischkonsums zu Gunsten pflanzlicher Lebensmittel hilft uns zusätzlich dabei.

Von Bio-Erfahrung profitieren

Die Grundlagen der Bio-Landwirtschaft wurden bereits vor Jahrzehnten festgelegt. Vor fast hundert Jahren hat Rudolf Steiner mit seinem «Landwirtschaftlichen Kurs» die biologisch-dynamische Lehre begründet und in den 1960er Jahren entwickelte Dr. Müller in seinen Landwirtschaftskursen auf dem Möschberg / BE das Prinzip der biologisch-organischen Lehre. Das Wissen, welches in jahrelanger Praxis und in Feldversuchen erarbeitet werden musste, steht heute Landwirten, die ihren Betrieb auf Biolandbau umstellen, vollumfänglich zur Verfügung. Und auch die konventionelle Landwirtschaft kann für einen naturnäheren Anbau mehr und mehr von der Forschung im Biolandbau profitieren. Biologen und Agrarwissenschaftler haben früh erkannt, dass die biologischen Anbaumethoden fundiert erforscht und basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen weiterentwickelt werden müssen. Das 1974 gegründete Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FIBL) in Frick gehört heute zu den angesehensten Instituten in der landwirtschaftlichen Forschung. Die Nähe von Forschung und konkreter Umsetzung im Anbau gehören zu den wichtigen Erfolgsfaktoren für ein künftiges «Bioland Schweiz». Einem Bioland Schweiz, von dem unser Mitgründer und Bio-Pionier Mäni Mahler schon bei der Umstellung des Gutbetriebs Eichberg 1963 träumte. Übrigens: Der erste FIBL-Institutsleiter ab 1974 hiess Hardy Vogtmann und gehört ebenfalls zu den Mitgründern von Mahler & Co.!

Bio-Bauern und Agronomen trafen sich auf dem Eichberg bei der Familie Mahler zum Austausch.

Der Boden ist das Kapital

Das Bild des Bodens oder der Erde als reine «Nährstoffträger» und «Ankersubstanz für die Pflanzenwurzel» wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von den Erkenntnissen des Chemikers Justus von Liebig geprägt. Liebig erkannte, dass Pflanzen wichtige Nährstoffe in Form von Mineralsalzen aufnehmen und begründete damit die Lehre der Mineraldüngung und der Agrochemie. Dass die Pflanze die lebensnotwendigen Mineralstoffe im genau richtigen Verhältnis zur Verfügung haben muss, darin besteht bis heute die grösste Herausforderung in der Anwendung von Kunstdünger. Nur zu oft gerät dieses Verhältnis der Nährstoffe in der intensivierten industriellen Landwirtschaft chronisch aus dem Gleichgewicht. Durch ein Überangebot des einen Nährstoffes wird ein anderer aus dem Boden herausgelöst und durch Niederschläge aus dem Boden gewaschen. Anstatt einer Verbesserung der Fruchtbarkeit resultiert aus der Kunstdüngerwirtschaft eine Verarmung und im Extremfall ein Verlust der Bodenfruchtbarkeit.

Wir glauben daher, dass es einen ökologischen Umbau der Landwirtschaft braucht, denn der biologische Landbau betrachtet den Boden und die wechselseitige Beziehung zwischen Pflanze und Bodenlebewesen sowie abgestorbenen Pflanzenteilen als lebendiges Oekosystem.

Kleinstlebewesen wie Knöllchenbakterien, Mykorrhiza-Pilze, Bodenmilben, Würmer und Insekten verarbeiten abgestorbene Pflanzenteile und Tiere zu neuen Nährstoffen und sorgen, dank gegenseitigem Austausch untereinander, für die richtige Balance der Nährstoffe. Philippe Matile, von 1985 bis 1998 Professor am Institut für Pflanzenbiologie der Universität Zürich und ebenfalls Mitinitiant des FIBL formulierte es in einem vielbeachteten Zeitungsbericht 1966 so:

«Die Biologen haben die Lebenstätigkeit einer Unzahl von Bodenorganismen, Bakterien, Pilzen, Amöben, Algen und niederen Tieren in ihren Grundsätzen erarbeitet. Diese bodenbewohnenden Organismen unterhalten einen intensiven Stoffwechsel, der mit jenen der Pflanzen in engster Beziehung steht. Die Wurzelknöllchen der Schmetterlingsblütler, deren Zellen eine Lebensgemeinschaft mit Bakterien eingehen und den atmosphärischen Stickstoff symbiontisch zu binden vermögen, sind lediglich besonders gut untersuchte und auffällige Beispiele für einen ganz allgemeinen Tatbestand. Von einer Grosszahl der Blütenpflanzen sind physiologische Wechselbeziehungen mit den Mikroben der Wurzelsphäre nachgewiesen. In unserem Zusammenhang muss sich das Interesse auf Bodenpilze und Bakterien konzentrieren, welche mineralische Nährstoffe aus verwitterndem Gestein lösen und sammeln, Luftstickstoff binden, den Nährstoffhaushalt des Bodens regulieren und bei der Vermittlung der Nährstoffe an die Pflanze eine entscheidende Rolle spielen. Eine Wissenschaft, die sich an die Tatsache der lebendigen Erde hält, muss zur Anschauung einer grossen Lebensgemeinschaft von Pflanzen und Erdorganismen gelangen und den Gedanken ins Auge fassen, dass die Mikroflora im verborgenen die ganze Arbeit der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts der Mineralstoffe leistet.»


Es leuchtet ein, dass ein intensiver Einsatz von Kunstdünger, Herbiziden, Fungiziden und Insektiziden dieses vitale Gleichgewicht empfindlich stören oder sogar gänzlich aus den Fugen hebeln kann.

Die Grundlage, damit wir und kommende Generationen von einer hohen Bodenfruchtbarkeit profitieren und unsere Bauern gesunde, nährstoffreiche Lebensmittel im Einklang mit der Natur produzieren können, liegt in der Sorge um unsere Böden. Denn sie und nicht ein einseitiger und intensiver Einsatz von Kunstdünger und Agrochemie garantieren letztlich die Ernährung aller Menschen.

Mit Bio die Menschheit ernähren?

Wenn die biologische Landwirtschaft immer mehr Raum, respektive an Fläche gewinnt, stellt sich zwangsläufig auch die Frage nach der Produktivität. Aus dem DOK-Langzeitversucht des FIBL ist bekannt, dass die Ernteerträge von biologisch bewirtschafteten Flächen grundsätzlich niedriger und grösseren Schwankungen unterworfen sind, als jene konventionell bewirtschafteter Flächen. Der DOK-Versuch vergleicht seit über 30 Jahren die Bodenqualität, die Ernteerträge und die Umweltleistungen (z.B. Biodiversität) von biologisch-Dynamischen, biologisch Organischen und Konventionellen Landbausystemen. Im Vergleich mit konventionellen Methoden liegen die Erträge im Bioanbau bei Kartoffeln 40 – 60%, bei Getreide 10 – 50% und bei der Milchleistung von Kühen 10 – 15% unter dem Ertrag der konventionellen Landwirtschaft. Urs Niggli, langjähriger Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau, hält in seinem Buch «Alle satt? Ernährung sichern für 10 Milliarden Menschen» fest: «Die biologische Landwirtschaft, wie sie heute existiert, ist kaum geeigne, 10 Milliarden Menschen zu ernähren». Voll und ganz Forscher hält er in darauffolgenden Kapiteln aber auch dagegen, dass die Produktivität des Bio-Landbaus mit Innovationen, Digitalisierung und unter Einbezug moderner Technologien noch massiv gesteigert werden kann.

Abgesehen davon, kann durch eine gerechtere Verteilung, die Vermeidung von Foodwaste auf allen Produktionsstufen oder der Umstieg auf eine mehrheitlich pflanzenbasierte Ernährung die weltweite Ernährungssituation deutlich verbessern. Fazit des 160-seitigen, abwechslungsreichen und mit persönlichen Anekdoten gespickten Buches von Urs Niggli: «Bio-Landwirtschaft ist nicht alles, aber ohne Biolandwirtschaft ist alles nichts.»

In 30 Jahren werden wohl annähernd 10 Milliarden Menschen unseren Planeten bevölkern. Noch können wir die Zeit nutzen, Wege für eine globale Ernährung zu finden, welche im Einklang mit den natürlichen Ressourcen steht.

Bio-Züchtung sorg für robuste, krankheitsresistente Sorten, die auch im Klimawandel sichere Erträge liefern.

Um die Landwirtschaft und unsere Ernährung umweltverträglicher zu machen, braucht es die Erfahrung aus der praktischen, (biologischen) Landwirtschaft und es braucht die Erkenntnisse aus der Forschung. Mehr und mehr wird auch die «konventionelle» Landwirtschaft von Erfahrungen aus der Bio-Forschung profitieren. Umgekehrt muss die Bio-Landwirtschaft den «Innovationsstau» überwinden und sich gegenüber neuen Ideen und Konzepten öffnen. So können wir gemeinsam, Bauern, Konsumenten, Politiker, eine Agrarwende hin zu einer ökologischeren Landwirtschaft schaffen.

In der Schweiz haben wir es aktuell mit unseren politischen Entscheidungen in der Hand, einen Paradigmenwechsel in der Agrarpolitik herbeizuführen und mehr öffentliche Gelder in eine umweltfreundliche Produktion und die dafür benötigte Forschung zu leiten. (Abstimmungen zur Agrarpolitik vom 13. Juni 2021).

Unabhängig davon, können wir Tag für Tag als Konsumenten entscheiden, ob wir biologisch und nachhaltig produzierten Lebensmitteln und Verbrauchsgütern den Vorzug geben. Wir entscheiden uns damit für mehr Bodenqualität, mehr Biodiversität, weniger chemische Rückstände in Boden und Trinkwasser und für ein faires Einkommen für Bauern, die im Zusammenspiel mit der Natur für uns gesunde Lebensmittel produzieren.

Mahler & Co., Stefan Jost

Quellen / weiterführende Links:

Webseite FIBL: TAT-Artikel von Philppe Matile, 22. Oktober 1966

Teil 1

Teil 2

Urs Niggli: «Alle satt? Ernährung sichern für 10 Milliarden Menschen»
Rezension von Markus Wanzeck, NATUR

Hintergrund DOK-Versuch, Foliensammlung zu Resultaten vom FIBL

DOK-Versuch: Biolandbau mindert Klimawandel

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