Wie aus einem Garagenversuch eine urbane Bio-Pilzzucht wurde

Wie aus einem Garagenversuch eine urbane Bio-Pilzzucht wurde – Silvia Mathis und Carsten Roth erzählen Mahler & Co. die Geschichte von Züripilz.
Unser Projekt entstand aus einer engen Freundschaft mit Samuel Kessens vom Biogarten Lieli. Ein früheres gemeinsames Nachhaltigkeitsprojekt scheiterte, doch der Wunsch blieb, gemeinsam etwas Sinnvolles zu entwickeln. Ausgangspunkt war das Problem, dass Gemüseabos im Winter kaum Vielfalt bieten. Also überlegten wir, was wir ergänzend machen könnten. Erste Experimente führten wir hobbymässig mit Pilzanbau in einer Garage durch – improvisiert, aber überraschend erfolgreich.
Wir kommen beide nicht aus der Lebensmittelbranche: Ich bin Bauingenieur und Silvi ist Journalistin. Doch die Verbindung zur Natur war immer da – und der Bezug zum Kochen.
Der chaotische Keller-Pilzversuch war unser erster Erfolg. Wir gingen mit zwei Pilzsorten auf die Stadt zu und suchten einen Ort für professionellere Versuche. Über Umwege kamen wir durch die Grünstadt Zürich zu diesem seit langem leer stehenden Gebäude, ein ehemaliges Wasserreservoir, mit zwei grossen Hallen. Es war 50 Jahre nicht benutzt worden, eine Ruine, aber wir wollten es dennoch damit probieren.
Das erste Problem: Die Fläche war keine Landwirtschaftszone. Es brauchte eine Umzonung! Schliesslich erhielten wir 40 m² offizielle landwirtschaftliche Fläche – unter der Bedingung, von Anfang an biologisch zu arbeiten. Uns war schnell klar: Wir wollten kein Supermarktangebot, sondern Klasse statt Masse.
Ein grosses Thema waren die Energiekosten: Die Hallen im Winter zu heizen, wäre extrem teuer gewesen. So entstand die Idee des Kaltpilz-Projekts: Wir züchten bei 13 °C. Das reduziert den Ertrag, verlängert aber die Haltbarkeit der Pilze – ideal für Gemüseabos. Die ersten Versuche starteten im Februar 2023, ab Mai verkauften wir erste kleine Mengen, ein paar Schalen voll. Heute produzieren wir rund 100 kg pro Monat.
Technisch haben wir vieles selbst gebaut: Lüftung, Dämmung, Elektrik – alles eigenfinanziert. Die Halle ist kameraüberwacht, die Bewässerung automatisiert. Wir müssen nur alle zwei Tage vor Ort sein. Die Pilzproduktion – v. a. das Substrat – bleibt aber, trotz starker Optimierung, ar-
beitsintensiv.
Ein entscheidender Punkt ist unser Fokus auf Demeter-Qualität. Anfangs skeptisch, überzeugte uns die Zusammenarbeit dank dem Biogarten Lieli. Wir sind die erste Demeter-Pilzzucht in der Schweiz. Das gab es vorher noch nicht.
Wichtig war auch, passendes Demeter-Stroh als Substrat zu finden. Unser Pilz ist ein sporenfreier Austernseitling. Er wächst schnell und ist relativ aggressiv. Das gute daran: Er verdrängt Schimmel. Das ist für uns sehr wichtig, da wir keine sterilen Räume haben. Das ist auch der Grund, dass wir unsere Körnerbrut nicht selbst herstellen, wir kaufen sie ein – das reduziert Kontaminationsrisiken! Andere Edelpilze würden bei uns nicht gedeihen.
Es gibt ca. 400 verschiedene Zuchtstämme des Seitlings. Anfangs kannten wir selbst den Geschmack mancher Pilze, die wir anbauten nicht – doch unsere Seitlinge kommen gut an. Unsere Kund:innen schätzen die Frische und einfache Zubereitung. Wir verkaufen direkt an Abos und einzelne Kunden. Bio-Läden lohnen sich kaum – zu viele Rückläufer – und der Versand ist bei kleinen Mengen zu teuer.
Besonders gut funktioniert der Direktvertrieb bei Führungen – Menschen erleben das Projekt und nehmen frische Pilze mit. Auch Co-Kids-Projekte oder Gruppenbesuche gehören dazu. Aber alles muss im Rahmen bleiben und in unseren Alltag passen. Diesen Sommer legen wir bewusst eine Pause ein. Einerseits, weil im Sommer weniger Nachfrage besteht, andererseits zur Wartung der Hallen. Wir arbeiten beide 60 % in anderen Jobs – das Projekt soll uns Freiraum und Platz für Kreativität lassen und uns nicht überfordern.
Skalierung ist nicht unser Ziel. Keine 20 Angestellten, keine Standardisierung. Unser Produkt ist persönlich, lokal und bewusst klein. Der direkte Kontakt zu den Kunden – das ist unser Markenkern.
Die Stroh-Pellets werden mit Leitungs–wasser befeuchtet...
...und dann mit einem Erddämpfer auf über 100 Grad erhitzt, damit fremde Keime und Sporen abgetötet werden.
Der gereinigte Nährboden wird mit der eingekauften Pilzbrut beimpft und in Säcke mit Luftventil verpackt.
Danach werden die Säcke für den Reifeprozess in den Keller transportiert.
Und dort bei idealen 13 Grad und abgestimmter Luftfeuchtigkeit gelagert.
Selbst Tag und Nacht wird simuliert, um es den Pilzen so angenehm wie möglich zu machen.
Wenn die Pilze aus dem dafür vorgesehenen Schlitz im Sack herausgewachsen sind und eine geeignete Grösse haben, sind sie bereit zur Ernte.