Bio-Kartoffeln: Erdige Knollen – ganz ohne Zusätze

Warum soll man mehr bezahlen für Bio-Kartoffeln? Und lohnt es sich, nach Bio-Kartoffeln zu greifen? Food-Journalistin und Autorin Esther Kern ist diesen Fragen nachgegangen und teilt ihre Recherchen dazu.
Es fängt an beim Geschmack. «Der Boden ist entscheidend für eine gute Chuscht», sagt Ruedi Bühler, Bio-Landwirt aus Heimenhausen BE. Es sei wie beim Wein, man spüre das Terroir. «Manchmal ist der gesunde, lebendige Boden sogar wichtiger für den Geschmack einer Kartoffel als die Sorte.»
Wer regelmässig Härdöpfel geniesst, kennt es. Es gibt Sorten, die dieses Erdige, chüschtige haben. Von denen man am liebsten einen ganzen Topf aufessen würde. Und dann gibt es die Knollen, die zwar wie Kartoffeln aussehen, aber nicht danach schmecken. Die genauen Faktoren für die Geschmacksentwicklung kennt man zwar nicht, aber es dürfte wohl etwas dran sein an der Aussage von Ruedi Bühler. Er liess sich vor einiger Zeit auf ein Umdenken ein. «Wir merkten, dass wir nur noch ein Prozent Humus im Boden hatten», sagt er. «Das bewegte uns dazu, vor 25 Jahren unsere Art Landwirtschaft komplett umzustellen».
Naturnahe Landwirtschaft für gesunde Böden
Mittlerweile hat der Boden auf Bühlers Hof wieder 3 bis 4 Prozent Humusgehalt. Wie aber macht man das? «In erster Linie nutzen wir jede Sonnenstunde», so der Bauer. Will heissen: Der Boden bleibt nie unbedeckt und es hat stets Pflanzen, die dank ihrer Fähigkeit zur Photosynthese organisches Material erschaffen aus Sonnenlicht, Wasser und CO2. Das so entstandene Pflanzenmaterial wird dann als Gründüngung in den Boden eingearbeitet. Der Boden wird also sozusagen mit Sonnenenergie gedüngt.
Damit das Bodenleben nicht gestört wird, verzichtet Ruedi Bühler auf den herkömmlichen Pflug. Die Erde wird oberflächlich bearbeitet. Er sagt: «Ein gesunder Boden ist das A und O für gesunde Kartoffeln. Diese könnten dann tiefer wurzeln und sich Nährstoffe holen, an die sie sonst nicht rankämen.
Bei gesunden Pflanzen hat der Bauer auch viel weniger zu kämpfen gegen den grossen Feind der Kartoffel: den Kartoffelkäfer. «Je gesünder die Pflanzen, desto weniger Befall», so Ruedi Bühler. Und wenn trotzdem Probleme auftauchen, dann wird im Bio-Landbau ein natürlicher Feind eingesetzt. Gespritzt wird ein Mittel, das Bakterien enthält, die den Kartoffelkäfer sterben lassen.
Gesunde Böden für gesundes Gemüse
Im Landbau nach Knospe-Richtlinien von Bio Suisse sind keine chemischen und synthetischen Stoffe erlaubt. Behandelt wird mit rein natürlichen Hilfsmitteln. Doch gegen die Krautfäule, dem hierzulande wichtigsten Feind der Kartoffel auf dem Acker, war lange kein Kraut gewachsen. Krautfäule ist eine Pilzkrankheit, die sich vor allem in nassen Sommern ausbreiten kann. Anders als in der konventionellen Landwirtschaft sind synthetische Fungizide – also Anti-Pilzmittel – verboten. Aus gutem Grund. Fungizide, die in der konventionellen Landwirtschaft verwendet werden, sind so angelegt, dass sie nicht nur auf den Blättern haften, sondern sich in der Pflanze einnisten und ergo auch in der Kartoffel. Der Grund? So kann der Regen das Mittel nicht abwaschen und verwässern. Die Folge? Auch in der ausgewachsenen Kartoffel können Rückstände der synthetischen Mittel, die als ungesund gelten, gefunden werden.
Im Biolandbau wird Pilzbefall mit Kupferlösung reduziert. Da jedoch Kupfer nur an der Oberfläche der Pflanzen wirkt, kann es nicht den gleichen Schutz bieten wie konventionelle Fungizide – starker Regen kann das Kupfer abwaschen. Dafür ist Kupfer ein Spurenelement, das auch natürlicherweise in der Natur vorkommt – und auch für die menschliche Ernährung ein wichtiger Faktor ist. Aber: Wird zu viel Kupfer eingesetzt, kann es sich im Boden anreichern, wie Tobias Gelencsér vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) erklärt. Deshalb sei man stetig am Forschen nach Alternativen.
Die richtige Sorte ist entscheidend
Ein wichtiges Feld ist die Züchtung. «Wir untersuchen Sorten, die immun sind gegen Krautfäule oder zumindest sehr widerstandsfähig», sagt Tobias Gelencsér. Das FiBL ist laufend daran, neue Sorten an verschiedenen Standorten in der Schweiz in Freilandversuchen zu testen. Und so gibt es heute Kartoffelsorten, die auch im Bio-Landbau nasse Sommer unbeschadet überleben. Die wohl bekannteste ist Vitabella – sie hat es auch ins Ladenregal geschafft. Aber auch Namen wie Acoustic oder Oscar werden Konsumentinnen und Konsumenten beim Einkaufen künftig vermehrt begegnen. «Eine Herausforderung ist, dass resistente Kartoffelsorten manchmal geschmacklich und optisch nicht identisch sind mit den Kartoffeln, die sich Konsumentinnen und Konsumenten gewohnt sind», erzählt FIBL-Experte Gelencsér. Da brauche es noch etwas Aufklärungsarbeit. Manche neuen Sorten etwa haben ein fast weisses Fleisch. Andere neue Kartoffeln mit der Eigenschaft «festkochend» sind eher rund, statt länglich, wie man es sich im Markt gewohnt ist.
Die Frage nach dem Preis
Noch ist es so, dass der Ertrag von Bio-Kartoffeln meist geringer ist als der aus herkömmlicher Landwirtschaft. In nassen Sommern wie 2024 gab es bei vielen sogar Totalausfälle. Das erklärt, warum Biokartoffeln teurer sind als solche aus konventionellem Anbau. Dafür weiss man, dass man damit auch Landwirte und Landwirtinnen unterstützt, die innovative Pionierarbeit leisten. Und man weiss: In den Bio-Knollen ist das drin, was man erwartet, nämlich die volle Kraft der gesunden Erde.